Fasching im Musikverein

Schon bald nach der Gründung des Musikvereins beschloss der damalige Ausschuss zur Finanzierung des Vereinsbetriebs eine Faschingsveranstaltung durchzuführen. Jahre zuvor hatte der TSV Schwaigern seinen traditionellen Fasching wegen zu geringen Interesses aufgegeben und so war man natürlich sehr skeptisch, ob diese Idee den notwendigen Erfolg bringen würde. Schwaigern war und ist ja auch heute nicht unbedingt als "Faschingshochburg" zu bezeichnen und so war es mehr als berechtigt am Erfolg dieser Veranstaltung zu zweifeln. 
Geplant wurde zunächst nur eine Veranstaltung als Versuch. Schon damals war man im Musikverein der Meinung, wenn wir etwas machen, dann machen wir es richtig. So hatte man sich in Punkto Dekoration schon sehr viel vorgenommen. Unter der Anleitung von Frau Rudel, der Ehefrau unseres Klarinettisten Josef Rudel, haben die Frauen tausende von Kirschblüten in aufwändiger Handarbeit hergestellt. Die gesamte Decke der Frizhalle war ein Blütenmeer. Kein Wunder, dass als Motto des ersten Faschings "Japanisches Blütenfest" gewählt wurde.
Die Veranstaltung übertraf alle Erwartungen. Der Zulauf der Gäste war so groß, dass aus Sicherheitsgründen um 21.00 Uhr die Halle wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Nur ein Teil der Gäste hatte das Glück, einen Platz an einem Tisch er ergattern, ansonsten setzte man sich nach dem Tanz einfach auf den Boden. Es waren alle Altersgruppen vertreten, von Jung bis Alt. Zu dieser Zeit gab es noch ein sehr strenges Jugendschutzgesetz. Der Veranstalter hatte streng darauf zu achten, dass kein Jugendlicher unter 18 Jahren die Veranstaltung besuchte. Nicht selten rückte die Polizei - der Polizeiposten Schwaigern war damals noch mit mindestens 12 Mann besetzt - mit großem Aufgebot an, um die "Einhaltung der Gesetze" zu überprüfen. Verstöße wurden vom Gesetzgeber sehr streng geahndet. Das ging bis zu Verhandlungen vor dem Jugendgericht Brackenheim. Der Veranstalter hatte ebenfalls mit erheblichen Strafen zu rechnen. Nur den guten Beziehungen zu einigen Schwaigerner Polizisten war es zu verdanken, dass uns größere Scherereien erspart blieben.

Für die notwendige Stimmung sorgte die Blaskapelle selbst mit Unterstützung einer kleinen Besetzung aus den eigenen Reihen. Nach dem Tanz führte man die Auserwählte an die Bar auf der Empore, wo man sich ein oder gar gleich mehrere Glas Sekt gönnte. Ein Getränk, das zu dieser Zeit sich Otto Normalverbraucher nur an Fasching gönnte. In den Nachkriegsjahren war eine "Bar" noch etwas nahezu Unbekanntes. Neben Sekt gab es vor allem süße Liköre, z.B. Danziger Goldwasser, ein Likör, in dem kleine goldene Plättchen schwammen, Jerry Brandy, auch Whisky gab es schon und vor allem ein damals noch weitgehend unbekanntes Getränk: "Puschkin", so benannt nach dem größten russischen Dichter Alexander Puschkin (1799 - 1837). Ein ebenfalls süßer Likör wurde verfeinert durch eine rote Kirsche. Bei diesem Angebot an Getränken war es natürlich nicht verwunderlich, dass die Stimmung im Saal hohe Wellen schlug und der Alkohol deutliche Spuren hinterließ. Der nächste Tag blieb vielen in keiner guten Erinnerung und man schwor, nie wieder einen Tropfen Alkohol anzurühren. 
Zu dieser Zeit verkehrten in Schwaigern auch an Sonntagen noch früh um 5.00 Uhr Züge in beide Richtungen. Da zu der Zeit noch wenige Besucher ein Auto hatten, war man auf die Bahn weitgehend angewiesen. Der Wartesaal wurde erst kurz vor 5.00 Uhr geöffnet, so dass die Gäste im Freien auf die Abfahrt des Zuges hätten warten müssen. Der damalige 2. Vorsitzende Hermann Stutz sen., auf dessen Initiative der Fasching hauptsächlich zustande kam, hatte ein Herz für die vielen Gäste und er ließ sie nicht im Kalten stehen, sondern betreute die Gäste im Saal bis kurz vor Abfahrt des Zuges. Niemand musste also frieren. Oftmals musste er den Weg zum Bahnhof mehrmals machen, da einige Gäste leichte Gleichgewichtsstörungen hatten und deshalb auf fremde Hilfe angewiesen waren. Unsere Gäste haben diesen Service sehr geschätzt und wurden zu treuen Besuchern unseres Faschings.

Der Fasching war Lebensfreude pur und Ausdruck des wirtschaftlichen Aufschwungs. Man konnte sich wieder etwas gönnen. Am Sonntag war dann auch der erste Kinderfasching, der ebenfalls die allerhöchsten Erwartungen übertraf. Wegen der großen Nachfrage wurde der Fasching eine Woche später mit demselben Erfolg wiederholt. 
Unvergessen sind auch die schönen Stunden nach dem Abbau des Faschings. Alle Reste von Likören bis zu Weinresten, Brot und Wurst wurden danach "entsorgt". Als an einem Sonntag nach dem Abbau der damalige Hausmeister Arnold kurzerhand die Heizung abstellte, damit er endlich den wohlverdienten Feierabend bekam, beschloss man, das Fest im Hobbyraum von Hermann Stutz jun. fortzusetzen. 
Der Heuchelbergfasching wurde von nun an permanent weiterentwickelt und immer beliebter. Viele Jahre lang kamen Musikkameraden aus Kirchberg/Murr mit ihren Frauen mit dem Bus angereist, hauptsächlich um von uns zu lernen, was ihnen später bei ihrer eigenen Veranstaltung auch sehr gut gelungen ist. 

In Lothar Kapprell, in späteren Jahren 2. und 1. Vorsitzender des Musikvereins, hatte man einen Fachmann, der nicht nur mit viel Idealismus seine berufliche Erfahrung einbrachte, sondern als führender Mitarbeiter eines renomierten Heilbronner Bekleidungshauses für jährlich neue Dekorationen und Überraschungen sorgte, denn er sammelte alles, was im Geschäftsleben nicht mehr für die Dekoration zu gebrauchen war und zusammen mit seinem zeichnerischen und malerischen Talent verzauberte er die Frizhalle ein ums andere Mal. Im inzwischen als Zirkuszelt umgebauten Saal der Frizhalle tummelten sich jährlich andere Tiere, von Exoten, wie bunten Papageien, Fischen und Möwen bis hin zu überdimensional großen Teddybären. Nachdem man in den ersten Jahren das musikalische Programm selbst gestaltet hatte, leistete man sich von nun an namhaften Stimmungskapellen aus dem näheren und weiteren Umkreis. Eine der ersten Kapellen war die Kapelle "Haloika" aus Brackenheim unter der Leitung des damaligen Dirigenten des Brackenheimer Musikvereins Karl Kohler. Später dann die bekannte Stimmungskapelle "Dacapo". Der Leiter der Band -Karl Stahl- war ein Schwager von Maurermeister Ernst Gebert und leitete ebenfalls in Bönnigheim die Musikkapelle. Es gab in den vielen Jahren nur selten einen Wechsel bei diesen Kapellen. Später sorgte die Kapelle "Royal", die hauptsächlich aus Musikern aus den eigenen Reihen bestand mehrere Jahre für sehr gute Stimmung und Unterhaltung. Dieser Band gehörten neben unserem derzeitigen 1. Vorsitzenden Gerhard Reiner der Dirigent des Akkordeonorchesters Andreas Geng und die damaligen aktiven Musiker Ulrich Dongus, Joachim Haas und Klaus Baierschmitt an. 
Vor einer schweren Entscheidung standen Vorstandschaft und Ausschuss nach dem Bau der neuen Sporthalle im Falltor 1974. Der 1. Vorsitzende Lothar Kapprell, sein Vorgänger Hermann Stutz sen. war im Jahre 1973 überraschend im Alter von 63 Jahren verstorben, stand nun mit seinem Ausschuss vor der schwierigen Frage, den Fasching in gewohnter und bewährter Weise in der Frizhalle weiterzuführen, oder einen Neuanfang in der neuen Sporthalle zu wagen. Alle Beteiligten waren sich darüber einig, dass für die Zukunft in der Sporthalle sehr viel investiert werden muss, um die treuen Gäste von der Frizhalle in die Sporthalle zu bekommen. Man befürchtete jedoch, dass ein anderer Verein die neue Sporthalle dazu nutzt einen eigenen Fasching zu veranstalten und so verlegte man den Fasching in die Sporthalle.
Die ersten Jahre waren recht vielversprechend. Man hörte zwar immer wieder von den Stammgästen, dass es in der Frizhalle gemütlicher gewesen sei, man glaubte aber, dass sich das im Laufe der Zeit noch einspielen werde. Ein riesiger Erfolg war zwar immer noch der Kinderfasching, die Halle war in jedem Jahr brechend voll. Die Mitglieder des Akkordeon-Orchesters entwickelten immer wieder neue Ideen, um die Kinder zu beschäftigen und zu begeistern, was ihnen auch durchweg sehr gut gelungen ist. Der große Einbruch der Samstagsveranstaltung kam dann Anfang der 80er Jahre. Die Besucherzahlen nahmen stetig ab. Man war sich darüber im Klaren, dass andere Wege gegangen werden mussten. Aus Anlaß des 30-jährigen Jubiläums beschloss man, 1. Vositzender war zwischenzeitlich Hermann Stutz jun. geworden, mit den Narren des Carnevalclubs Massenbachhausen eine Prunksitzung durchzuführen. Mit dem Motto "Auf neuer Welle, 30 Jahre Stadtkapelle" machte man 1985 einen Neuanfang, der zunächst ein großer Erfolg wurde. Ein Jahr darauf war der Besuch zwar etwas weniger, jedoch noch nicht besorgniserregend. Dass an diesem Abend die Heizung in der Sporthalle ausfiel war mit Sicherheit ein Grund dafür, dass im Jahr 1987 nur noch ca. 250 Gäste in die Halle kamen. Die Kapelle Royal zog zwar alle Register, um das närrische Volk musikalisch zu erwärmen, bei Temperaturen von 16-17 Grad konnte natürlich keine Stimmung aufkommen. Die Einnahmen aus diesem Fasching reichten gerade aus, um die hohen Kosten zu finanzieren und so beschloss man, den Fasching bis auf weiteres auszusetzen. Das war das Ende des Heuchelbergfaschings. Danach hat der AMC die Faschingsveranstaltung in der Frizhalle ein paar Jahre lang wieder aufleben lassen. Aber Schwaigern ist eben doch keine Narrenhochburg und so ist der Fasching in Schwaigern wohl endgültig Geschichte. Noch heute erzählen und schwärmen viele ältere Schwaigerner von dem wunderschönen Heuchelberg-Fasching in der Frizhalle.